Geschliffenes Glas in der Geschichte der böhmischen Länder
Wie ist die Geschichte des geschliffenen Glases in Böhmen? Wann sprechen wir von Glas und wann von böhmischem Kristall? All das und noch viel mehr haben wir für Sie in diesem neuen Artikel zusammengestellt.
Über die detaillierte Entwicklung des Glases in unserem Land haben wir bereits im Artikel Zarte Kunst, feste Tradition berichtet. Nun konzentrieren wir uns auf das handgeschliffene Glas aus Böhmen. Bis zum Ende des 19. Jahrhunderts sprach man von geschnittenem Glas. Erst später etablierte sich die Bezeichnung graviertes (flach bearbeitetes) und geschliffenes Glas (tief bearbeitet). Was führte zur Entstehung der schönsten und traditionellsten Schliffe? Das erfahren Sie in diesem Artikel.
Gravur – Die Wurzeln des geschliffenen Glases
Die Gravur legte den Grundstein für das geschliffene Glas, wie wir es heute kennen. In unserem Gebiet reicht sie bis in die vorchristliche Zeit zurück – in die Latène-Zeit der Kelten. Sie ritzten mit Feuersteinspitzen oder Smaragdmeißeln einfache Linien in Glasperlen und kleine Objekte.
Die Zeit der Přemysliden und Luxemburger
Die Glasverarbeitung entwickelte sich in Böhmen während der Herrschaft der Přemysliden und Luxemburger im 13. und 14. Jahrhundert. Damals entstanden zahlreiche Bauwerke, die Fensterglas benötigten. Auch hohe Glasbecher, sogenannte „Píšťaly“, wurden hergestellt. Wenn sie mit flachen Gravuren verziert wurden, geschah dies mit einer Drehscheibe, die durch eine Bogenschnur angetrieben wurde. Als Schleifmittel diente meist Sand, der mit Wasser vermischt wurde. Die Ornamente waren pflanzlich, geometrisch oder figürlich.
Der Hof von Rudolf II.
Ein wahres goldenes Zeitalter erlebte die böhmische Glaskunst während der Renaissance unter Kaiser Rudolf II. Er war ein großer Förderer der Kunst – einschließlich der Glasherstellung – und trug maßgeblich zu ihrer Entwicklung bei. Dank seiner Unterstützung übertraf das böhmische Glas die venezianische Produktion und erreichte weltweite Spitzenklasse.
Das späte 16. und frühe 17. Jahrhundert war für die Glasbearbeitung eine revolutionäre Epoche. Bis zum 16. Jahrhundert wurde Glas nur flach graviert. Die Dekorationen bestanden aus einfachen Schnitten, um das dünnwandige Glas nicht zu schwächen. Gegen Ende des 17. Jahrhunderts begann man, dickwandiges Glas herzustellen, wodurch tiefere Gravuren möglich wurden. Dies verlieh den Dekorationen eine plastische Wirkung. Die Handwerker konnten nun mit Glanz, Mattierungen, Formen und Figuren experimentieren, da das dickwandige Glas die perfekte Leinwand bot.
Caspar Lehmann – Der Vater des geschliffenen Kristalls
Caspar Lehmann war Hofkünstler von Rudolf II. Als Graveur von Glas, Bergkristall und Edelsteinen war er nicht nur in Prag, sondern auch in Wien, Linz und Dresden tätig. Sein bekanntestes Werk ist der sogenannte Lehmann-Pokal „Potestas, Nobilitas und Liberalitas“ von 1605. Dies ist das älteste signierte und datierte Glasobjekt. Er war der erste, der zum Schneiden von Glas Diamanten verwendete, weshalb er als Vater des geschliffenen Kristalls gilt.
Nach dem Dreißigjährigen Krieg – Das Barock
Der Dreißigjährige Krieg brachte viele Glaswerkstätten zum Erliegen und verlangsamte die Entwicklung. Doch nach dem Krieg erlebte die Glaskunst einen erneuten Aufschwung. Das Barock war eine Ära des Prunks und der reichen Verzierungen – dies spiegelte sich auch in der Glasbearbeitung wider. Aus böhmischem Glas wurde nun „böhmischer Kristall“ – eine würdige und beeindruckende Alternative zu Bergkristall.
Barocke Glasobjekte zeichneten sich durch üppige Dekorationen und kunstvolle Lichtspiele aus. Es entstanden ikonische Kristalllüster mit geschliffenen Anhängern, konvexe und konkave Gefäße auf hohen Stielen. Die Glasgraveure spielten mit Licht, Formen und Reflexionen und entwickelten ihre Kunst mit großen Schritten weiter.
Wie ging es weiter?
Nach einer erneuten Phase des Niedergangs blieb die Qualität der Glasherstellung vor allem in Schlesien erhalten, wo sich allmählich Rokoko-Stile entwickelten – allegorische Ornamente, Porträts und Stadtansichten. Facettierte Pokale, Karaffen und Flaschen kamen in Mode. Böhmen setzte sich erneut an die Spitze der Glaskunst.
Anfang des 19. Jahrhunderts führte eine Absatzkrise dazu, dass sich die Glasproduktion anpassen musste. Dies geschah durch farbig überfangenes Kristallglas mit kunstvollen Schliffen. Die Technik des überfangenen Kristalls, bei der eine farbige Schicht über eine transparente gelegt wurde, verlieh den Schliffen eine neue Dimension.
In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts gaben viele Graveure ihr Handwerk auf, da es sich wirtschaftlich nicht mehr lohnte. Kleinere Werkstätten entstanden und der Jugendstil begann, die Glasgestaltung zu beeinflussen. Aus Graveuren wurden Schleifer, und das Schneiden von Glas entwickelte sich zum Schleifen. Neben dem Schliff wurden Glasoberflächen auch reich graviert und sandgestrahlt.
In dieser Zeit entstand der legendäre Schliff PK500, der sich zum meistverkauften und traditionsreichsten Dekor der tschechischen Glaskunst entwickelte.
Heute
Die moderne Geschichte des Glasschleifens bringt keine revolutionären Veränderungen mehr. Zwar werden die Werkzeuge ständig verbessert, doch die grundlegende Technik bleibt unverändert. Denn nichts kann die geschickten Hände erfahrener Glasmeister ersetzen. Das manuelle Glasschleifen erfordert immense Präzision, Geduld und handwerkliches Geschick.
Heute konzentriert sich die tschechische Glasproduktion sowohl auf maschinell hergestellte Gebrauchsware als auch auf handgefertigte Kunstglasobjekte. Die Krönung der tschechischen Glaskunst ist nach wie vor das farbig überfangene Kristallglas – ein kostbares, in Handarbeit hergestelltes Meisterwerk.
Wir hoffen, dass Sie nach diesem Artikel die Kunst des geschliffenen Glases mit neuen Augen betrachten – voller Bewunderung für die Tradition, das Handwerk und die Leidenschaft, die darin steckt.